Hospital Diaries Episode 3

Ein Interview mit Herr Mölin, dem Stellvertretenden Pflegedienstleiter einer medizinischen Intensivstation, die zeitweise als Covid-Intensivstation diente.

Herr Mölin, Sie sind Stellvertretender Pflegedienstleiter der medizinischen Intensivstation. Wie genau muss man sich Ihr Krankenhausumfeld vorstellen?

Ich arbeite bereits seit 36 Jahren in einem Klinikverbund, der aus drei Standorten besteht. Dabei ist unser Standort mit 2.500 Patienten der Größte. Die medizinische Intensivstation, auf der ich arbeite, dient derzeit als Covid-Intensivstation und hat 18-32 Betten.

Wie schätzen Sie den Stress und den Druck auf das Pflegepersonal während dieser Ausnahmesituation ein?

Die Belastung stieg dadurch an, dass vor allem mehr Patienten betreut werden mussten. Dadurch kam mehr Arbeit auf uns zu. Jeder musste mit 100 Prozent dabei sein. Bis zu 8 Patienten waren gleichzeitig an Herz-Lungenmaschinen angeschlossen. Durch diese zusätzliche Verantwortung stieg die psychische und auch die körperliche Belastung an. Patienten waren an viele Schläuche angeschlossen. Wenn Sie auf den Bauch gedreht wurden, galt höchste Vorsicht. Durch die Schläuche lief Blut und jeder kleine Fehler konnte große Konsequenzen haben. Spezialbehandlungen konnten insofern stattfinden, wie es die Zusatzausbildungen zuließen.

Auf der Intensivstation zu arbeiten bedeutet nicht nur viel Verantwortung zu übernehmen, sondern der Beruf ist sicher auch emotional geladen. Wie nehmen Sie dies persönlich wahr?

Die Arbeit mit den Patienten verläuft immer sehr unterschiedlich. Manche Patienten sind nur wenige Stunden bei uns, manche mehrere Monate. Dabei gibt es auch sehr tragische Fälle - unter anderem auch in den letzten Monaten auf der Covidstation. Die erste Welle betraf vor allem die ältere Generation von 65 Jahren aufwärts. Die Verläufe waren meist mittelmäßig schwer, aber die Station war voll belegt. Die zweite Welle betraf eine jüngere Gruppe von etwa 20-jährigen. Diese war schlimmer, und auch für uns als Team eine größere emotionale Belastung.

Allgemein muss man das Berufliche vom Privatleben trennen können. Man stumpft nicht ab, aber man muss lernen damit umzugehen. Man erinnert sich aber natürlich immer vor allem an die extremen Erfahrungen. Die extrem Schwierigen, aber auch die extrem Guten.

Was sind dabei Ihre glücklichsten Krankenhausmomente?

Einen sehr schönen Moment hatten wir mit einem 20-jährigen Covid Patienten, den wir lange begleitet haben. Wenn solche jungen Menschen erfolgreich aus der Klinik entlassen werden und in die Reha kommen, ist das natürlich ein besonders schöner Moment. Ich erinnere mich aber beispielsweise auch immer noch an einen Fall von vor 15 Jahren. Da hatten wir einen schwer erkannten Patienten, der schon viele Therapien durchlaufen hat. Wir kamen schon langsam in ein experimentelles Stadium. Es hatte schon keiner mehr an einen Erfolg geglaubt, da ähnliche Fälle erfahrungsgemäß nicht überlebten. Doch er verließ die Klinik mit minimalen Folgeschäden. Dieser Patient kam später mit seinem Motorrad mit Seitenwagen (für besseren Halt) wieder in der Klinik zu Besuch, um zu zeigen: “Seht, wie es mir jetzt geht!”. Wenn Leute wieder kommen oder sich persönlich verabschieden, und man sieht was geleistet wurde - das sind die besonders schönen Momente. Aber leider sind diese Rückmeldung nicht mehr so häufig.

In Krankenhäusern wird mangelnde Innovation und eine Veralterung von Prozessen stark kritisiert. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Ist dies ein Frustrationspunkt im Alltag?

Ich denke, bei uns läuft einiges anders und wir können uns mit unserem Digitaliserungsfortschritt sehr glücklich schätzen. Bei uns existiert die digitale Krankenakte beispielsweise schon seit 1996. Es ist viel automatisiert. Von dem Moment an, an dem der Patient aufgenommen wird, haben wir relevante Informationen auf dem Monitor. Dabei haben wir nur Zugriff auf das, was für die Arbeit relevant ist. Verschiedenste Werte, wie beispielsweise die Herz-Lungenfunktion der Patienten wird direkt automatisch festgehalten. Der Automatisierungsprozess bei uns wurde auch durch Covid weiter beschleunigt. Wir sind allerdings eher ein Sonderfall. Allgemein muss diese Digitalisierung flächendeckender verbreitet werden. Digitalisierung bedeutet dabei auch Sicherheit. Da wir diesen Prozess sehr früh selbst aufgebaut haben, ist das System bei uns sehr intuitiv, und Produkte werden perfekt beherrscht. Intuitive Prozesse bei der Digitalisierung sind extrem wichtig.

Wie nehmen Sie die allgemeine Einstellung von Krankenhausmitarbeitern zu dem Thema Digitalisierung wahr? Wo sehen Sie Schwierigkeiten?

Die spontane Bereitschaft neu zu lernen ist erstmal sehr gering. Perspektivisch ist der Gedanke der Veränderung erstmal schwierig, aber wenn es dann einmal soweit ist, wird die Akzeptanz größer. Damals mussten wir uns auch erstmal durchsetzen, als wir die Digitalisierung voranbringen wollten. Wir hatten dabei keinen überlappenden Übergang. Stattdessen haben wir von einem auf den anderen Tag alles umgestellt. Nach einer Woche wollte keiner mehr zurück. Heutzutage ist das alles auch wieder etwas einfacher, und der Umgang mit Technik fast selbstverständlich.

Inwiefern beeinflusst Ihre hohe Verantwortung in der Klinik Ihre Arbeitsweise und Ihre alltägliche Motivation?

Ich denke wir tragen eine Art Helfersyndrom in uns. Trotzdem darf man nicht alles machen bis zur Erschöpfung. Man gibt zwar alles, aber man wird mit der Zeit auch schlauer, wie man auf Dauer realistisch arbeiten kann. Man lernt das Umfeld der Patienten kennen, und das wird schnell zum eigenen Antrieb. Man macht die Arbeit für den Patienten, und damit man manchmal was bewegen kann.

Herr Mölin, wir bedanken uns für Ihre Zeit und die vielen Einblicke in Ihren Alltag und Ihre Erfahrungen. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!

Anmerkung: Der Name des Arztes wurde zur Veröffentlichung dieses Beitrags verändert und der Name des Krankenhauses anonymisiert, da die Krankenhausleitung keine explizite Veröffentlichungsfreigabe bestätigt hat.

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