Hospital Diaries Episode 5

Ein Interview mit Sandy - Krankenpflegerin auf der chirurgischen Intensivstation der Charité Berlin.

Sandy, erzähl uns ein bisschen von deiner Rolle im Krankenhaus und wie lange du schon in diesem Bereich arbeitest?

Ich bin Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der chirurgischen Intensivstation bei der Charité in Berlin. Davor habe ich auf einer internistischen Intensivstation und auf einer herzchirurgischen Station gearbeitet. Die beiden letzteren waren Stationen in deutlich kleineren Krankenhäusern als die Charité. Auf der chirurgischen Intensivstation arbeite ich nun mittlerweile seit 2016 und mache dort die normale Krankenpflegeversorgung. Das heißt, allgemeine Unterstützung des Patienten bis hin zu den intensivmedizinischen Tätigkeiten, wie z.B. Medikamente verabreichen, Beatmungsmaschinen betreuen, Dialyse, Atemtraining oder auch Blutentnahmen gehören dazu. Da wir eine chirurgische Intensivstation sind, haben wir vor allem auch mit Verbänden und Drainagen zu tun, also der klassischen Wundversorgung.

Was war dein schönster Krankenhaus-Moment in deiner Laufbahn bisher?

Für mich gibt es nicht diesen einen expliziten Moment. Das schönste ist immer wenn man sieht, dass der Genesungsprozess vorangeht und die Patient:innen Schritt für Schritt wieder gesund werden. Gerade wenn sie einen sehr schwierigen Verlauf hatten mit starken Höhen und Tiefen und man sie dann z.B. selbstständig über die Station laufen sieht. Vorher hätte man nie gedacht, dass die Genesung wieder so weit fortschreitet. Das sind immer die schönsten Momente. Vor allem wenn man diese Patienten auch länger betreut und die Prognose nicht sehr positiv war im Vorhinein!

Wie sieht ein klassischer Tag bei dir auf der Station aus und wie hat sich dieser Alltag durch Covid-19 verändert?

Wir haben natürlich eine gewisse Struktur allerdings ist jeder Tag auch anders bei uns. Wir haben ein 3-Schichten-System. Früh- und Spätdienst dauern 8 Stunden und der Nachtdienst ca. 9 Stunden. Wir starten mit der Übergabe, dann werden Medikamente verabreicht (intravenös), Patientenversorgung, Physiotherapie, Atemtherapie, Wundverbände und Untersuchungen, Aufnahmen aus den OPs oder Verlegungen aus anderen Stationen. 

In Bezug auf Covid-19: wir sind eine Backupstation. Wir haben keine Corona Patient:innen aber wir haben einen großen Teil unseres Personals an die großen Corona Intensivstationen abgeben müssen. Das heißt wir arbeiten mit vollem Programm mit weniger Mitarbeiter:innen und das hat sich schon sehr bemerkbar gemacht. Wir hatten vorher einen Patientenschlüssel von zwei Patient:innen und einer Pflegekraft und jetzt sind es meistens vier Patient:innen und eine Pflegekraft. Hinzu kommt, dass wir viel neues Personal haben, die noch nicht so erfahren sind, da das erfahrene Personal auf die Corona Stationen gesetzt wurde. Das neue Personal muss möglichst schnell eingearbeitet werden, aber wenn zusätzlich noch eine Pflegekraft krank wird, dann ist bei uns Holland in Not.

Die Konsequenz ist, dass Abstriche gemacht werden müssen und das merken die Patient:innen auch. Es wird nur noch Minimalversorgung gemacht, also eigentlich nur das Nötigste, um die Intensivversorgung zu gewährleisten. Da ist keine Zeit mehr auf Kleinigkeiten einzugehen. Man probiert natürlich sein bestes, aber man muss selektieren, was wichtig ist und was nicht. Anders geht das aktuell nicht. Beim Waschen wird nur das Nötigste gewaschen, Verbände werden nur noch gemacht, wenn sie wirklich nötig sind. Das ist nicht der Anspruch an die Versorgung, den wir uns wünschen. 

Du hast Erfahrung in kleineren kirchlichen Einrichtungen sowie einem großen Universitätsklinikum. Spürst du einen Unterschied was die Arbeitslast angeht?

Die Arbeitsdichte in einer Universitätsklinik ist deutlich höher, da der Durchlauf auch viel größer ist als in einem kleineren Krankenhaus. Hinzu kommt auch die Maximalversorgung. Die Krankenhäuser sind dann verpflichtet die Patient:innen aufzunehmen. Kleinere Krankenhäuser können Patient:innen auch ablehnen, falls die maximale Kapazität erreicht ist. Das macht natürlich einen Unterschied bei der Arbeitsbelastung. Meistens sind die größeren Unikliniken aber auch weiter vorangeschritten was das Thema Digitalisierung angeht. Das ist dann schon eine große Arbeitsentlastung. Allerdings kann man das schlecht vergleichen mit der allgemeinen Arbeitsbelastung, die durch die Patientenzahl zu Stande kommt.

Wie siehst du den Digitalisierungsgrad allgemein bei dir im Krankenhaus?

Ich glaube wir bewegen uns im Mittelfeld. Die ganzen Patientenakten und Medikamenten Anordnungen sind digital. Wir schreiben keine Pflegekurven mehr, das funktioniert alles über den Computer, genauso wie Verlegungen. In jedem Patientenzimmer steht ein Computer und in unserer Kanzel gibt es auch noch zusätzlich drei Computer. Was wir noch selber eintragen müssen, sind z.B. die Ratenveränderungen bei der Verabreichung von bestimmten Medikamenten. Obwohl dies eigentlich auch digital machbar sein sollte, indem die Einstellungen des Geräts automatisch in die digitale Patientenakte übertragen werden. Das kann sehr nervig sein, gerade in einer Notfallsituation, wie z.B. einer Reanimation musst alles einzeln nachgetragen werden und die Werte musst du dir in dieser Notfallsituation dann eben merken.

Wir haben unser eigenes Dokumentationssystem auf der Station. Von anderen Stationen weiß ich, dass es teilweise auch noch Papierakten gibt. Es gibt also auf jeden Fall Unterschiede zum Digitalisierungsstand auf den verschiedenen Stationen.

Ist Digitalisierung ein Thema, welches von der Leitung initiiert wird oder ein Wunsch, der von der Seite der Mitarbeiter:innen kommt?

Ich bin mir nicht sicher, wie genau das bei uns anfing. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es auch von den Mitarbeiter:innen getrieben wird. Wenn irgendwelche neuen Tools benutzt werden sollen, müssen wir dazu auch immer Feedback geben. Diese sollen uns ja entlasten, anstelle Mehraufwand mit sich zu bringen. Manchmal sind bestimmte Tools eben auch sehr kompliziert gemacht und nicht so ganz intuitiv. Unser Feedback wird aber dann häufig mit aufgenommen und die Tools dementsprechend angepasst. Vieles kommt natürlich von oben, aber ich würde sagen im Prinzip geht der Prozess Hand in Hand mit den Personen, die am Ende die Anwendungen benutzen.

Hast du denn das Gefühl, dass Digitalisierung dich im Alltag entlastet? Welche digitalen Funktionen würdest du dir im Alltag wünschen?

Seitdem ich bei uns auf der Station bin, wurde einmal das komplette System überholt. Da sind schon viele Dinge dazu gekommen, die unseren Alltag erleichtern. Zum Beispiel wenn ein Patient von einer anderen Intensivstation übernommen wird, dann muss keine neue Akte mehr angelegt werden, sondern man kann alle Daten aus der bestehenden Akte übernehmen. Das vereinfacht unseren Alltag schon sehr. Vorher hat man mindestens eine halbe Stunde daran gesessen eine neue Akte anzulegen und alles zu übertragen, jetzt dauert das ganze nur noch fünf Minuten.

Der größte Zeitfresser ist trotzdem immer noch die Dokumentation, obwohl diese zum Großteil bereits digital stattfindet. Jede Einzeltätigkeit müssen wir in diesem Tool anklicken. Einfacher wäre es, wenn es eine vorgefertigte Maske gäbe mit den Aufgaben des Frühdienstes, aus dem man nur noch die Aufgaben, die nicht gemacht wurden rausnehmen muss, anstatt jede einzeln auszuwählen. Die Dokumentation fällt zudem oft in die Überstunden und deshalb gibt es auch öfter den Fall, dass einfach (aufgrund des Zeitaufwandes) gar nicht dokumentiert wird.

Wenn ein Arzt etwas anordnet dann sieht man das leider nicht gleich im System. Hier wäre es hilfreich, wenn bei einer neuen Anordnung etwas beispielsweise rot aufleuchtet oder irgendeine andere Form der Benachrichtigung auf dem Bildschirm erkennbar ist. Aktuell ist der Prozess hier sehr unterschiedlich. Teilweise kommen die Ärzte vorbei und teilen uns die Anordnung mündlich mit manchmal wird es auch im System neu angeordnet und dann taucht es auf. Hierfür muss dann aber eben regelmäßig nachgeschaut werden, ob eine neue Anordnung im System hinterlegt ist, da keine direkte Benachrichtigung stattfindet. Da geht dann schon sehr viel unter, gerade wenn man viele Patient:innen betreut, hat man nicht die Zeit ständig im System nachzuschauen, ob es neue Anordnungen gibt.

Vielen Dank für deine Offenheit und die Einblicke in deinen Arbeitsalltag im Krankenhaus. Wir hoffen, mit Tracie den Arbeitsalltag durch mehr digitale Prozesse weiter zu erleichtern sowie die Patientensicherheit zu erhöhen.

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